Kriege und Heimsuchungen
(Textquelle: Matthias Fidesser, "Ein Weinviertler Dorf in Geschichte und Gegenwart")
Krieg, Krankheiten (Seuchen) und Naturkatastrophen haben die Menschen immer wieder heimgesucht und besonders der Dorfbevölkerung arg zugesetzt, sodass auch diese traurigen Ereignisse in einer Dorfgeschichte nicht fehlen dürfen.
Kriege, die unsere Heimat betrafen
Kriege fordern meistens die gesündesten und hoffnungsvollsten Menschen als Opfer und treffen am schwersten, wenn der Feind ins Land kommt. Chroniken berichten häufig über Kriegsgräuel. In Platt wird erst seit 1837 Chronik geführt, daher wissen wir fast nichts über die Auswirkungen früherer Kriege auf unser Dorf. Ältere Aufzeichnungen über die größeren Nachbarorte (Zellerndorf, Pulkau, Retz, Schrattenthal usw.) haben aber wohl auch für Platt Gültigkeit.
Die Preußenkriege
Österreichischer Erbfolgekrieg (1740 - 1748)
Österreichisch-Preußischer Krieg (1866)
Die Preußen waren zweimal in unserer Heimat (Hb. Bez. Holl. II, S. 216/17): 1742, als Kaiserin Maria Theresia mit König Friedrich dem Großen von Preußen um Schlesien kämpfte. Damals kam die preußische Armee über Mähren nach Znaim, wo Friedrich sein Hauptquartier aufschlug. Von da aus wurden Haugsdorf, Retz und Pulkau von preußischen Soldaten besetzt, die in den umliegenden Orten für ihren Unterhalt und den ihrer Pferde Schlachtvieh, Wein und Futter requirierten. Da war wohl auch unser Ort mit betroffen.
1866, das Jahr, über dessen Ereignisse ich (Anm.: Matthias Fidesser) als Kind von älteren Leuten aus deren eigenem Erleben noch erzählen hörte. Am 3. Juli hat Österreich gegen Preußen die Schlacht bei Königgrätz verloren. In kurzer Zeit waren Böhmen, Mähren und unser Weinviertel in Feindeshand. Mitte Juli zeigten sich schon feindliche Truppen in den Orten des Pulkautales. Die Pfarrchronik Platt berichtet darüber: „Vom Einmarsch der Preußen blieb Platt verschont. Trotzdem flohen viele Ortsbewohner in die umliegenden Wäldchen, kehrten aber bald wieder heim. Erst beim Rückzug erschien eine feindliche Kolonne des Rheinischen Feldartillerie-Regiments und requirierte gegen Bezahlung 17 Metzen Hafer, 5 Metzen Gerste und 3 Laib Brot.“ Der gefährlichere Feind aber war die Cholera, die von Mitte August bis Ende September in Platt 61 Opfer forderte.
Der Erste Weltkrieg (1914 bis 1918)
Nach Eintragungen in der Pfarrchronik Platt: 1914, am 30. Juni verbreitete sich die Nachricht von der Ermordung des österreichischen Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand und seiner Gemahlin Sophie in Sarajewo. "Da gibt es Krieg!", war das Echo auf die Bestätigung durch die Zeitung. Alle Lustbarkeiten (Kirtage) wurden sofort eingestellt.
Am 17. Juli war das Requiem für die Ermordeten in Anwesenheit von Gemeindevertretung, Feuerwehr und Schuljugend. Am 18. Juli erließ der greise Kaiser Franz Josef I. das Manifest "An meine Völker", in dem er zur Einigkeit aufrief. Am 2. August war Mobilisierung des ersten Aufgebotes: In Platt war um 4 Uhr früh gemeinsame Messe, anschließend Auszug der Krieger, die mit Musik von der Bevölkerung zur Bahnhaltestelle begleitet wurden.
Die Getreideernte ist wohl noch zum Großteil vor der Mobilisierung eingebracht worden, für die Herbstarbeiten aber fehlten die eingerückten Männer und abgestellten Pferde. Man machte sich Sorgen um die Feldbestellung für das kommende Jahr. Im Herbst wurden Wollkleidersammlungen durchgeführt, als Weihnachtsgeschenke für die Frontsoldaten. Eine "Erntekommission", bestehend aus Bürgermeister, Pfarrer und Oberlehrer, hatte für die volle Einbringung der Ernte i. J. 1915 zu sorgen.
1915: England propagiert Aushungerung. Daher wurden Vorratsaufnahmen organisiert, mit denen wieder Pfarrer und Oberlehrer betraut wurden.
1916 wurden die Lebensmittelkarten eingeführt, also die Versorgung streng rationiert. Auch alkoholische Getränke waren mit einbezogen. Wein hat das Ärar gekauft und gut bezahlt (80 Heller pro Liter). Weil man zum Kriegführen Geld braucht, wurden "Kriegsanleihen" aufgelegt, die auch sehr gerne "gezeichnet" wurden. Im Rahmen der Aktion "Gold gab ich für Eisen" wurde Kleinschmuck aus Edelmetallen (besonders Ringe und Armreifen) gegen Nachbildungen aus Eisen getauscht.
1917 mussten die drei größeren Glocken vom Kirchturm und das "Zügenglöcklein" vom Alten Turm zum Kanonengießen abgeliefert werden. Nur die zersprungene "Scheppern" hat man als Notbehelf belassen. Im November 1918 kam der Zusammenbruch, die Fronten lösten sich auf, beim Rückzug der Armee waren noch sehr viele Opfer zu beklagen und nach der Kapitulation wurde die Not in der Heimat immer größer.
Nachkriegsjahre, Inflation
Im Laufe des Krieges wurden Lebensmittel und Bekleidung immer rarer. Nach Kriegsende wurde die Not noch weitaus größer. Selbst die auf Lebensmittel- und Bekleidungskarten zugewiesenen Bedarfsartikel waren nur schwer erhältlich und wurden immer teurer. Das Geld verlor als Zahlungsmittel allmählich seine Bedeutung. Über die bewirtschafteten Zuweisungen hinaus wurde dem geheimen Tauschhandel der Vorzug gegeben, der Schleichhandel (das "Hamstern") blühte. Lebensmittel wurden gerne gegen Wertgegenstände eingetauscht. Der Schleichhandel wurde behördlich verfolgt und auch streng bestraft.
Durch die aus der Not erwachsenen Preissteigerungen und die Kriegsschulden war die Geldentwertung (Inflation) nicht mehr aufzuhalten. Darunter litten ganz besonders die Lohnempfänger, deren Bezüge hinter dem Preisauftrieb weit nachhinkten, sodass sie mit ihrem Lohn kaum den täglichen Bedarf decken konnten. Damals gab es für selbständig Erwerbstätige noch keine Pensionen, sie trafen für ihren Lebensabend Vorsorge durch Spareinlagen während ihrer Berufstätigkeit, um von deren Zinsen einen geruhsamen Ruhestand genießen zu können. Diese Kapitalien wurden wertlos, sodass viele wohlhabende Bürger in ihrem Ruhestand bettelarm waren. Vorteil aus der Inflation zogen die Schuldner, denn auch die Schulden wurden entwertet.
1924 erreichte die Geldentwertung ihren Höhepunkt, man rechnete nur mehr mit Millionen Kronen. Ende dieses Jahres konnte durch internationale Hilfe der Währungsverfall gestoppt werden. Am 1. Jänner 1925 wurde anstelle der Krone der Schilling als österreichische Währungseinheit eingeführt. Umrechnungskurs: 10.000 Kronen = 1 Schilling (S). Daher wurden noch lange nach der Umwertung 100 S mit 1 Million (Kronen) bezeichnet.
Nachstehende Aufstellung soll die Preissteigerung an einigen wichtigen Bedarfsartikeln in Platt aufzeigen (Angaben in Kronen):
im Jahr |
1916 |
1918 |
1919 |
1921 |
1923 |
Milch |
0,6 |
1 |
20 |
4.500 |
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Ei |
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|
13 |
2.600 |
|
Fett |
9,6 |
30 |
75 |
300 |
30.000 |
Fleisch |
9,0 |
36 |
270 |
|
|
Wein |
0,8 |
7 |
10 |
|
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Schuhe |
|
|
200-300 |
2.000-3.000 |
20.000-30.000 |
Anzug |
|
|
1.000-3.000 |
5.000-10.000 |
200.000-300.000 |
Der Zweite Weltkrieg (1939 bis 1945) und seine Folgen
Die nach 1930 immer spürbarer werdende Wirtschaftskrise und damit verbundene Arbeitslosigkeit bei den Arbeitnehmern, der Preisverfall für bäuerliche Erzeugnisse und der Geschäftsrückgang bei Handel und Gewerbe ließen bei allen Schichten der Bevölkerung Unzufriedenheit mit den bestehenden politischen Verhältnissen aufkommen. Daher machte sich immer größerer Zulauf zur nationalsozialistischen Bewegung bemerkbar.
Am 13. März 1938 erfolgte der Einmarsch der deutschen Truppen und der "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich. Bald nach der Machtübernahme nahm die Beschäftigungsquote zu und damit die Kaufkraft der Konsumenten. Unsere Bauern begrüßten vor allem den günstigeren Absatz ihrer landwirtschaftlichen Erzeugnisse Die Hauer brachten ihre Weine reißend und zu guten Preisen an den Mann. Das alles trug natürlich zu dem fast 100%igen "Ja" für den "Anschluss" bei der Volksabstimmung am 10. April bei.
Am 1. 9. 1939 begann mit dem Einmarsch der deutschen Truppen in Polen der Zweite Weltkrieg. Wie von einer autoritären Regierung nicht anders zu erwarten, setzte sofort die strenge Bewirtschaftung aller lebensnotwendigen Güter ein. Einschränkung wurde geboten. Militärisch wirkten sich die ersten Kriegsjahre in unserer Heimat nicht aus. Aufregung brachten nur Nachrichten über Frontereignisse oder wenn Gefallene aus dem Dorf gemeldet wurden.
1942 war in Platt Einquartierung einer ostpreußischen Infanterie-Kompanie, die nach Osteinsatz hier einige Wochen in Ruhestellung verbrachte. Ihr Einvernehmen mit der Ortsbevölkerung war gut. 1945 war die gleiche Einheit beim Rückzug aus Russland abermals in unserm Ort einquartiert.
Erst das Kriegsende im April und Mai 1945 bekam auch unsere Heimat militärisch zu spüren. Dazu berichtet die Pfarrchronik:
"In der Nacht vom 18. auf 19. April war von uns aus ein nächtlicher Fliegerangriff auf die Gegend von Znaim zu beobachten. Am 23. April erfolgte der Abzug der in Platt stationierten deutschen Einheit. Vom 24. 4. bis 3. 5. war eine "Volkssturmeinheit" (letztes Aufgebot) hierorts einquartiert; das Kommando war im Pfarrhof.
Am Abend des 8. Mai, also noch am Tag der deutschen Kapitulation, zogen die Russen, von Guntersdorf kommend, in Platt ein. Die letzten Kampfhandlungen waren um Enzersdorf im Göllersbachtale (10 bis 15 km östlich von Hollabrunn). Den Russen ging als Besatzungssoldaten kein guter Ruf voraus. Daher flüchtete ein Teil der Ortsbewohner in die Akazienwaldungen südlich des Dorfes, besonders Frauen und Mädchen, um den schon bekannten Vergewaltigungen zu entgehen.
Die Schule war schon seit dem Einmarsch des Volkssturmes gesperrt. Der Christi Himmelfahrtstag (10. Mai) war der einzige Tag ohne Gottesdienst. Die Feldarbeiten waren drei Wochen unterbrochen. Die schon meterhohen Getreidefelder am Ortsrand waren ein sicheres Versteck bei Flucht vor plötzlich in ein Haus eindringenden russischen Soldaten. Sie durchwühlten die Wohnräume auf der Suche nach Kleidern und Wertsachen, ob jemand anwesend war oder nicht. Hatte ihr Suchen keinen Erfolg, haben sie anwesende Hausbewohner zur Herausgabe genötigt. Besonders versessen waren die Besatzer auf Uhren. Alkohol verschmähten sie auch nicht, daher waren Keller besonders beliebte Einbruchsziele."
Der damalige Pfarrer Dr. Leopold Eigl schildert in einer Beilage zur Pfarrchronik seine Erlebnisse in den ersten Tagen der Besatzung:
"1945: Dienstag, 8. Mai, 7 Uhr abends begann der Einzug der Russen von Guntersdorf her und dauerte - Auto auf Auto, später auch Pferdegespanne - bis ungefähr halbzehn; aber die ganze Nacht hörte man immer wieder einen Wagen fahren. Einige Russen sprangen von ihren Wagen und verlangten Wasser, das ihnen gegeben wurde. Die Bevölkerung begrüßte die Russen freundlich, auf dem Kirchturm war die weiße Fahne ausgesteckt.
Aber bald sollte sich die Freude und gute Meinung ins Gegenteil verkehren. Ich bekam noch am Abend Besuch: 4 Soldaten kamen in die Kanzlei und in die anderen Räume zu ebener Erde. Während ich mit zweien von ihnen im Schlafzimmer war, nahm ein dritter, wie mir später die Wirtschafterin erzählte, die Füllfeder und steckte sie ein. Wie ich später dann feststellen musste, waren zwei Füllfedern weg. Wahrscheinlich nahm einer der Soldaten auch eine Taschenuhr, die auf dem Tische lag, zu sich. - Während der Nacht hatte ich Ruhe.
Als ich und meine Wirtschafterin am Mittwoch, 9. Mai von der Kirche in den Pfarrhof zurückkamen, waren schon 4 Soldaten da. Sie hatten das große Tor aufgebrochen. Sie erklärten, sie würden heute im Pfarrhof übernachten, und sie wünschten, ebenerdig untergebracht zu werden. Sie erklärten, sie würden in einer Stunde kommen; bis dahin müsse alles gerichtet sein. Sie haben sich aber nicht mehr gezeigt.
Während des ganzen Tages kamen Gruppen von 3 bis 5 Soldaten in den Pfarrhof und untersuchten meist jedes Zimmer, jeden Kasten und jede Lade. Während ich vormittags einmal mit 3 Soldaten auf dem Boden war, benutzte ein vierter die Gelegenheit und nahm aus dem Gastzimmer im 1. Stock einen Rucksack mit einem schönen Sommeranzug, einem schwarzen Rock und einer Weste. Die Wirtschafterin sah ihn die Stiege hinuntereilen, wollte ihn aufhalten, er aber schob sie zur Seite und lief davon. Ein Soldat läutete vormittags an und fragte mich, wie viel Uhr es sei. Ich zog ahnungslos meine Uhr, da packte er sie schon, und als ich mich wehrte, nahm er mich an der Brust, sodass ich ihm die Uhr geben musste. Ferner verschwanden im Laufe des Tages vier Feuerzeuge und einige Brillen.
Eine Gruppe ließ sich nachmittags 8 Eier hart kochen und nahm noch 10 Eier im Körbchen mit. Einer anderen Gruppe musste die Wirtschafterin eine Eierspeise mit 12 Eiern machen. Das ging so bis halbsechs Uhr abends. Um 6 Uhr kam ein Offizier mit seinem Burschen. Ersterer war etwas angeheitert, der Bursche betrunken. Sie brachten eine Eineinhalbliterflasche, in der noch ein Liter Wein war, mit. Die Wirtschafterin musste vier Eier hart kochen, dann noch fünf Eier. Nachdem sie gegessen und getrunken hatten (immer ein Seitelglas auf einen Zug), wollte der Bursche noch 5 Eier haben. Der Offizier entfernte sich, nachdem er offensichtlich dem schwer betrunkenen Burschen gütlich zugeredet hatte. Als der Offizier weg war, begann der Bursche rabiat zu werden, er zerschlug Untertassen und Gläser, die auf dem Tisch standen und erhob gegen mich die leere Flasche. Plötzlich sprang er auf, schleuderte die Flasche zu Boden, packte das Pfandl, in dem die Eier kochten und schleuderte es gegen die Wirtschafterin. Er schrie nach Wein. Die Wirtschafterin bedeutete ihm nachzukommen und ging mit ihm auf die Straße. Er wankte dann ins Dorf hinunter. Einen vorübergehenden russischen Soldaten führten wir dann in die Küche und zeigten ihm die Bescherung. Das zurückgelassene Gewehr entsicherte er, ließ es aber stehen, während er die Patronen mitnahm.
In der Nacht kamen wir aus den Kleidern nicht heraus. Nach 1 Uhr früh kamen zwei Soldaten, einer war offenbar Offizier, der erklärte, dass ihrer 5 Leute bei mir übernachten würden. Sie wählten sich die ebenerdigen Räume aus. Sie würden bald kommen, meinten sie, gekommen ist aber niemand mehr.
Eine Stunde später kamen 4 Soldaten; einer verlangte wieder eine Uhr. Ich sagte, ich hätte schon 2 hergegeben. Er griff mich ab und wurde handgreiflich, sodass ich ihm die dritte Uhr gab. Einer kam angeheitert und erklärte, ihm sei kalt, er brauche einen Rock. Ich gab ihm einen, um Ruhe zu haben. Um 6 Uhr früh kam schon wieder einer und forderte eine Uhr. Auf meine Erklärung, dass ich keine mehr hätte, ging er. Sie versuchten auch, den Keller aufzubrechen, was nicht gelang.
Am Himmelfahrtstag (10. 5.) konnte ich keine Messe lesen. Um halbzehn Uhr kamen 10 Leute darunter 2 Frauen, und nahmen beim Brunnen gründliche Körperreinigung vor. Dann gingen sie.
Bei der Kirche haben Russen mit ihren Pferden gelagert. Die zogen am 10. Mai ab. Dann ging ich in die Kirche. Ich fand die Seitentür in die Sakristei zerschlagen, sodass man hineinsteigen konnte. In der Sakristei fand ich ein wüstes Durcheinander vor. Die Kirchenkleider verwendeten sie vermutlich für ein Nachtlager. Außer den 4 großen Kerzen vom Hochaltar fehlte nichts. Am Nachmittag kam der Offizier mit dem rabiaten Burschen von gestern und fragte mich, ob sein Begleiter der sei, der gestern so viel zerbrochen hatte. Ich bejahte. Der Bursche reichte mir die Hand als Zeichen der Entschuldigung. Dann gingen beide.
Auch in der folgenden Nacht kamen wir nicht aus den Kleidern. Ich legte mich auf den Diwan in der Kanzlei und schlief gut.
Am Freitag, dem 11. Mai hatte der Pfarrhof Ruhe; wir schliefen wieder in unseren Betten. Aber im Dorf haben die Russen bei Bauern, Kleinhäuslern und in den Geschäften fürchterlich gehaust. Was sich da zutrug, spottet jeder Beschreibung. Es kamen auch Vergewaltigungen von Frauen vor.
Diese Gewalttaten stehen in schroffem Widerspruch zu der Kundmachung des österreichischen Bauernbundes im "Neuen Österreich" am 1. Mai auf der Seite 1. Es heißt dort unter Nr. 2: Jeder Versuch unbefugten Requirierens wird durch das Oberkommando der Roten Armee strengstens bestraft, ebenso ist die Beschlagnahme von Vieh, Getreide, Futtermitteln, Maschinen, Geräten, Wagen, Geschirr usw. untersagt. In Nr. 4: Ebenso hat die Rote Armee den Bauern eine Unzahl von Pferden samt Wagen und Geschirr übergeben.
Am Pfingstsonntag brachen 3 Russen während des Hochamtes im Pfarrhof ein. Sie durchsuchten den Archivkasten, die Küche und das Zimmer der Wirtschafterin. Außer etwas Geld in Maries Zimmer nahmen sie nichts mit.
Das ist nur eine Auswahl aus dem, was im Pfarrhof geschah."
Soweit der Bericht des Pfarrers Eigl. Bald nach der deutschen Kapitulation ist auch die CSR wiedererstanden. Am 25. Mai kehrte Dr. Benesch nach Prag zurück und wurde von den Russen mit der Regierung betraut. Sofort wurden alle Deutschen in der CSR ihres Besitzes verlustig erklärt und des Landes verwiesen. Aufgehetzte tschechische Horden haben die deutschen Familien, ob Greise oder Kinder, auf das Brutalste aus ihren Häusern vertrieben, geprügelt und viele erschlagen, sodass die Flüchtlinge mit geringster Habe so rasch als möglich die Grenze zu erreichen versuchten. Aus dem an unser Weinviertel grenzenden Südmähren kamen die Heimatvertriebenen in hellen Scharen über die Grenze und suchten Zuflucht in den nächsten Dörfern. Es gab kein Haus, das nicht eine Flüchtlingsfamilie aufgenommen hätte. Diese ehrlichen und arbeitswilligen Menschen machten sich hauptsächlich in der Landwirtschaft nützlich. In den folgenden Jahren nahm die BRD den Großteil von ihnen auf und gab ihnen Brot und neue Heimat. Flüchtlinge, die eine Existenzmöglichkeit in Österreich nachweisen konnten, durften bleiben.
Auch durchziehende deutsche Soldaten, die auf dem Rückzug von ihrer Einheit abgesplittert waren und allein den Weg in die Heimat suchten, wurden kurzfristig betreut und oft vor den Zugriffen der Besatzer bewahrt. Feld- und Weinernte wurde mit Hilfe der Flüchtlinge trotz aller Widerwärtigkeiten eingebracht.
Die Unruhe und Unsicherheit dauerte noch lange an, was aus dem Gemeindeprotokoll vom 13. Februar 1946 ersichtlich wird: Gegen die häufigen nächtlichen Einbrüche, zumeist in den Weinkellern, die nicht nur von den Besatzungssoldaten, sondern oft auch von sogenannten "heimischen Russen" begangen wurden, griffen die Männer des Ortes zur Selbsthilfe. Jeder war bereit, nächtlich Wache zu halten. Der Bürgermeister erstellte einen Plan und forderte zu strenger Pflichterfüllung auf. Hat die Wache einen Einbruch beobachtet, schlug sie Alarm, Glockengeläute, Feuerwehrhornisten und Gemeindetrommler weckten die Leute. Viele eilten zum Tatort und verscheuchten die Täter, wenn sie nicht schon verschwunden waren.
1950, zu Jahresende, wurde die Lebensmittelrationierung (Lebens-mittelkarten) aufgehoben.
Opfer der beiden Weltkriege aus Platt
Für die Opfer beider Weltkriege hat die Gemeinde unter Bürgermeister Johann Lewisch mit Hilfe einer Ortssammlung ein Kriegerdenkmal errichten lassen. Dafür hätte es keinen würdigeren Platz geben können als die leere Nische in unserem ehrwürdigen "Alten Turm". Der Plan wurde im Jahre 1957 im Zuge einer Turmrenovierung verwirklicht. Die Ausführung ist schlicht, aber würdevoll: Ein Sgraffito von dem Hollabrunner Maler Franz Neußer stellt zwei sterbende Krieger dar, die mit wehmütiger Miene von der sonnenbestrahlten Welt Abschied nehmen. Zwischen beiden erhebt sich himmelweisend ein schwarzes Marmorkreuz. Darunter sind die Namen der Opfer in Marmor gemeißelt.
Ergänzung (Forum Platt/ThS): Offensichtlich kam das Bedürfnis, in Platt ein Kriegerdenkmal aufzustellen, erst sehr spät. In anderen Orten wurden bereits sehr bald nach dem 1. Weltkrieg solche Denkmäler errichtet, bei uns erst 1957. Das erste Mal beschäftigte sich der Gemeinderat mit einer Gefallenengedenkstätte am 06. Jänner 1946 und gründete ein Personenkomitee. Es dauerte dann allerdings wieder mehr als 10 Jahre, dass das Thema Kriegerdenkmal wieder als Tagesordnungspunkt im Platter Gemeinderat behandelt wurde.